Der SKS Direktor Alfons Gularsk fährt derzeit mit einer weiteren Bangabandhu-Offensive auf. Zielsetzung: Auflösung der Ehrbaren Bangabandhischen Republik, eine – nach Auffassung des Diktators – Terrormiliz, die ebenso unrechtmäßig agiert wie die Unionsrepublik Bangabandhu. Den Preis für den Traditionalismus des Gularsk zahlt jedoch nicht er selbst, auch nicht sein eigenes Volk, sondern die vielen fremden bagabandhischen Völker, die seit Jahrzehnten vom einem Brennpunkt in den nächsten getrieben werden.
Seit Beginn dieses Monats befinden sich wieder SKS Truppen in Bangabandhu, diesmal erstmalig mit LKW-Ladungen voller scharfer Munition und einem eindeutigen, offensiven Befehl. Die Grenze des EBR-Kontrollierten Territoriums soll weiter gegen Osten gedrängt werden. Um jede Myle wird gekämpft. Zu Beginn der vorletzten Woche erreichte das Norsbrôker Nystablåden eine Zusendung von der Bangabandhischen SKS/EBR Front. Der Absender, ein einfacher Soldat, der aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben wird, schickt uns zerkritzelte Papierfetzen, teilweise notdürftig aus Toilettenpapier und vergilbten Umverpackungen zusammengebastelt; teilweise mit weißem Filzstift über Seitenweise geschwärzte Zeitungen geschrieben.
Die Redaktion des NN hat sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, den gesamten Inhalt dieser Nachrichten bzw Nachrichtenfragmente zu veröffentlichen. Nicht nur, weil die Öffentlichkeit ein offenkundiges Interesse am aktuellen Bangabandhu-Konflikt hegt – sondern vorallem auch deshalb, weil es die Worte und Gedanken dieses Frontsoldaten verdient haben, gehört zu werden. Die Fragmente wurden an einigen Stellen durch eine Expertenkommission sinngemäß und entsprechend der Logik vervollständigt, jedoch nicht durch das NN in einen anderen oder einen neuen Zusammenhang gebracht. Die Aussagen und Wertungen im nachfolgenden Text spiegeln nicht die Meinung des Norsbrôker Nystablåden wieder.
1. Fragment
Ich bin Soldat forderster Front der [ ] Kompanie im Bangabandhufeldzug. Ich weiß nicht, ob ich schreiben soll, weiß nicht, ob diese Zeilen je ein Mensch zu Gesicht kriegen wird – aber Schlaf ist ausgeschlossen und so schreibe ich, weil ich nicht schlafen kann – denke, weil ich nicht träumen kann. Es ist vielleicht eine Beruhigung, dass die meisten Mitglieder meiner Kompanie anders als ich bereits Kampferprobt sind, Erfahrung mit sich bringen. „Wenn der Feind kommt“, denke ich, „dann werde auch ich zum Mörder wie wir alle.“
[…]
Heute erster Einsatz an der Front. Stützpunkte in Dörfern errichtet. Ein Bauer hat sich zur Wehr setzen wollen, nach Schießübungen an seinem Rind hat er sich dann doch ergeben. Heute gab es Steak zum Mittag, ismusistisches Rind. Während wir in Dörfer an der Front position beziehen, Menschen aus ihren Häusern verjagen um unsere Verteidigungslinien zu stärken, verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse wie zwischen IRB und EBR. Ein Gedanke nur, aber was für einer! Die Menschen hier reden nicht viel, es ist ruhig auf den Straßen. Nur das brummen der Panzermotoren geht wie ein Mantra im Takt.
[…]
Grenzüberschreitung um 08; erste Schüsse seitens der EBR, das Feuer wird nicht erwiedert. „Weiterfahren“ sagt mein Kompaniefeldwebel nur. „Weiterfahren.“ Ca eine viertel gyle östlich der Grenze ziehen wir die ersten Schützengräben. „Spatenstich zum Paradies“ sagt mein Kumpel spöttisch. Es ist eine Kunst, diesen Humor bis an seinen Galgen zu tragen, denke ich. Sage es dann aber doch nicht, schau ihn nur an, wie er da steht mit seiner Schaufel und gräbt. „Weitermachen“ sagt mein Kompaniefeldwebel von hinter mir. „Weitermachen.“ Ich und ein paar Dutzend andere Soldaten grabe mit dem Spaten. Alles nach Lehrbuch.Spaten ziehen gerade Linien, Maschinen graben hintenan.
2. Fragment
„Weiterschießen!“ ruft mein General „Weiterschießen!“ Ich schieße, weiß gar nicht mehr wohin, überall fliegt Staub um mich herum, keine Sicht nach vorn, nach hinten. Kurz Stille, keine Ruhe, gebrochen nach wenigen Sekunden, die Abwehrgeschütze donnern. Ich höre Gebrüll und Schreie, kaum voneinander zu unterscheiden in dem Tumult. Nur ein Wort dringt zu mir durch „Weiterschießen!“
[…]
Sirenen in der Ferne, ein EBR Bataillon wurde wenige Myle östlich von uns positioniert, haben unsere Stellung entdeckt. Wenig später geht auch bei uns die Sirene […] laufe durch die gegrabenen Gänge zu meinem Gewehr und warte. […] In dieser Nacht ist keiner gestorben.
[…]
Alarmsignal in der Nacht. Kaum einer hat wirklich geschlafen, schauen trotzdem aus wie gerade aufgeweckt. Erste Meldung vom diensthabenden Feldwebel, Granatenbombardement. Im Lager bleiben, den Angriff aussitzen. Raus gehen ist zu gefährlich. Ich schau zu meinem Kumpel, er zu mir. Wir beide sind noch nicht zu Mördern geworden. Aber die anderen hier? Der Tod scheint den meisten nichts mehr auszumachen. Sie müssen sich fühlen wie Maschinenmenschen, mit ihren Maschinengewehren. In meinen Ohren nur das Echo „Weiterschießen“
[…]
Das Bombardement hält an, hier unten sind wir vielleicht sicher – aber wie lang? Vorräte reichen aus für bestimmt noch zwei Wochen. Granaten sind nur Beiwerk in diesem Höllenspiel. Längst ist uns das Leben unter der Erde zum Feind geworden. Mir fehlt das Sonnenlicht, anderen geht es ähnlich.
[…]
Heute das erste mal Stille. Versorgungstransport kommt an, bringt Munition, Essen, Zeitungen, die aber Seitenweise geschwärzt sind. Wir dürfen an der Front nicht wissen und nicht denken, was der Feind über uns druckt. Nach einigen Stunden göttlicher Ruhe dann der Befehl des Generals. Wir sollen zurück auf Gefechtsposition. „Weiterschießen“
3. Fragment
Videobotschaft des Direktors Gularsk. Es ergibt alles wieder einen Sinn, meine Motivation ist so hoch wie nie zuvor während meines Einsatzes. Anlass zur Freude: ab morgen wird gewechselt, unser Trupp kommt für zwei Wochen in die Verteidigung, dort gibt es weniger Granaten, bessere Versorgung, echte Betten, Sonnenlicht. Bei Apor, wenn ich dort nur Schlaf finden würde, ich wäre ein glücklicher Mensch. Es ist eine Ehre, für die Freiheit des unterdrückten Bangabandhu zu kämpfen! Den Schlaf kann man mir rauben, aber nicht die Ehre, für das Gute zu kämpfen!
[…]
Ruhige Tage, wie versprochen. Gularsk hat sich bei seinen Generälen für uns Frontkämpfer stark gemacht. Morgen soll gutes Essen kommen, Dampfkartoffeln – von SKS Sträflingen für die Front gepellt und geschält. Pekaka zum Nachtisch. Wir sind die Schutzpatrone in güldener Rüstung! Wenn das Ehre und Dankbarkeit ist, dann schmeckt sie sehr gut!
[…]
Arbeitseinsatz in der Verteidigung. Wir bauen Kontakt zu ortsansässigen Dörflern auf. Stoßen teilweise auf Verständnis für unsere Arbeit, das mindeste ist Akzeptanz. Die schweigsamen Einwohner beginnen langsam wieder zu reden, treffen sich mit uns. Wir dürfen nur bewaffnet in ihrer Nähe sein. Attentatgefahr.
[…]
Morgen geht es wieder an die Front. Die Kumpels haben saubere Arbeit geleistet, aber wir können noch nicht weiter vorrücken. Die Rebellischen EBR-Terroristen haben zu große Feuerkraft. Jetzt heißt der Befehl: Stellung halten. Ich packe meine Sachen zusammen und greife als letztes nach meinem Gewehr. In Gedanken nur ein Wort „Weiterschießen.“
4. Fragment
Die Freiheit Bangabandhus wird mit Schweiß und Blut bezahlt. Versorgungslinie gekappt, Vorräte reichen nur noch drei Tage. Angst vor Hunger ist groß. Mehr Munition als Essen da. Mehr Essen als Medizin. Es fehlt überall. Der Horror sind nicht die Granaten, der Horror ist die Angst.
[…]
Kein Essen mehr, kochen Schlammsuppe mit Hund. Heute fressen wir dreck, aber wenn die Terroristen weggefegt sind werden wir wieder in Pekaka beißen! Ich bin sicher Gularsk hat einen Plan uns hier zu befreien.
[…]
Gerüchte gehen um, das Gularsk eine A-Bombe Einsatzbereit halten möchte. Wir brauchen die Atomare Kanone weniger als eine Gulaschkanone. Morgen Offensive entlang der westlichen Versorgungslinie. Wir müssen die EBR-Aufständigen, die unsere Transporte abfangen beseitigen.
[…]
Wieder frei […] keine Zeit für Spielereien. Alle Mann auf Gefechtsstation, eine heiße Kartoffel für jeden auf die Faust, in der anderen Hand ein halbautomatisches Gewehr, zurück in den Graben, die Worte des Generals hängen mir aus den Ohren. „Weiterschießen“