Aarherz‘ Sturz

von Marek Schymmler


Bäsch, 13.02.2519. Ein politischer Ruck erschütterte heute morgen das Theater der Kammern, das Parlament der DVD. Adam Aarherz, provisorischer Regulator der Demokratischen Volksrepublik Diktatistan erklärte seinen sofortigen Rücktritt von allen Posten. So sehr die Nachricht schockieren mag, zeigt sich jedoch bei genauerer Betrachtung, dass dieser Ruck sich lange anbahnte und gar sorgfältig geplant wurde.

Adam Aarherz‘ hat schon lange den Zenith seiner Macht überquert. Feinde machte er sich mit seiner liberalen Wirtschaftspolitik in den ländlichen Regionen und mit seiner Abrüstung und der Annährungspolitik auch beim Militär. Ihren Unmut mischten auch im Zuge der Kampagne „Demokratie mit sauberen Füßen“ entlassene Beamte und Kritiker der intransparenten Methoden, mit welchen diese durchgeführt wurde, bei. Noch hielt das Unternehmertum, das von der Liberalisierung profitierte, sowie die weltoffene Jugend zu ihm.

Doch der Putsch Machars und die Schwierigkeiten, auf die der Vormarsch der alliiert-torassisch-davischen Truppen traf, besiegelten Aarherz‘ Schicksal. Noch mehr Beamte und Offiziere entsagten ihm nun offen die Treue. Die Verbündeten kritisierten die Korruption und mangelnde Loyalität der davischen Garnisonen, was Aarherz‘ Verhandlungsposition schwächte. Nun spaltete sich selbst das Lager seiner Freunde auf – „Das Haus“, eine Gruppe um den Abgeordneten Wheyëtta Naer, forderte eine noch engere Kooperation mit den Verbündeten, da man Aarherz weder einen erfolgreichen Feldzug noch eine ehrlich gemeinte Demokratisierung zutraut. Den Unternehmern stellten sie ein neokapitalistisches Wirtschaftsmodell nach dem Vorbild der URB in Aussicht. Die andere Gruppe, „Cmarnyr“, die sich um Lithra Cmarnyr gebildet hatte hingegen drängte Aarherz auf eine sofortige Ausweisung aller ausländischen Truppen und eine Aussöhnung mit Machar. Ihre Devise lautete: „Lieber von zwei Daviern als vom Ausland regiert werden“.

Nachdem infolge der nun bekannt gewordenen IADN-internen Zerwürfnisse über ein Dealangebot seitens Machar nun die militärische Unterstützung seitens der FRNX in der Schwebe scheint, erhöhte sich der Druck auf Aarherz weiter. Immer mehr wichtige Akteure in Politik, Medien, Wirtschaft und Militär ordneten sich einer der beiden Gruppen zu – und immer mehr einstige Freunde wandten sich von Aarherz ab. So waren die letzten Wochen in der davischen Hauptstadt von Intrigen, kleineren Skandalen und Korruption geprägt. Nicht weniger als drei Abgeordnete starben bei Attentaten. Eine Cmarnyr zugeneigte Zeitung veröffentlichte kompromittierende Fotos vom „Haus“-nahen Finanzminister Cuephman, die ihn bei unsittlichen Handlungen zeigten. Das Haus Cmarnyr-Unterstützers, Chaetta, welcher die Presse-Abteilung des Geheimdienstes leitet, brannte nur zwei Tage später ab. Aarherz blieb nichts anderes übrig, als die Hände zu ringen. Die Frage war nicht mehr, ob der bisherige provisorische Regulator stürzen, sondern wer seine Nachfolge antreten würde.

Dabei gelang es dem „Haus“ immer mehr Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen und durch geschickte Personalpolitik und zupaßkommende skandalöse Enthüllungen um „Cmarnyr“-Freunde an entscheidenden Positionen immer mehr Ministerien zu vereinnahmen. Es verwundert wenig, dass Torassia, welches die Verteidigung Bäschs übernommen hat, eher geneigt ist, mit dem „Haus“ zusammenzuarbeiten. Gerüchten machten die Runde, denen zufolge Jesko Svasalny und der mit ihm befreundete Multimilliardär Sergej Maipaipa persönlich an hohen Stellungen Empfehlungen für bestimmte Parteigänger Naers eingelegt hätten. Und so gewann schließlich das „Haus“, wie es sich am gestrigen Tage herausstellte.

Dabei machte Aarherz in seiner Rede sehr deutlich, dass er nicht freiwillig ging:

„Gewisse Zweifel an meiner Person sind laut geworden. Zweifel, die mir die Fähigkeit, unseren geliebten Kontinent durch diese schwierigen Zeiten zu führen, absprechen. In der militärischen Kampagne und den Jahren, die ihr vorangingen, sind zwar Fehler passiert. Aber – diese Fehler waren bereits durch Politik der vergangenen Jahrzehnte gesäht worden und kamen durch Misgunst und Illoyalität zum Keimen. Diese Zweifel haben Probleme zum Gegenstand, die weit außerhalb der Macht eines jeden Politikers liegen. Das heißt schlicht: Diese Zweifel sind ohne jeden Gegenstand. Aber dies ist nicht die Stelle um all das auszubreiten. Die Zweifel existieren, und das Leben lehrt, dass sich just das ungerechte Urteil am hartnäckigsten hält. Ich sehe, wie diese Zweifel unser Land spalten, auch unsere Hauptstadt, ausgerechnet jenen Teil, die noch nicht vom Bürgerkrieg beschädigt und vergiftet wurde. Ich werde nicht zulassen, dass nun auch dieser letzte Pol der Ruhe in kleinlichen Parteikriegen zerrieben wird. Da die Streitenden meine Regierung zum Vorwand ihrer Auseinandersetzung gewählt haben, hoffe ich, ihre Auseinandersetzung nichtig zu machen, indem ich ihnen diesen Vorwand nehme. Mein Rücktritt ist das Opfer, dass ich der Einheit des Kontinents bringe.“
– Adam Aarherz

Der Applaus für diese Rede dauerte zehn Minuten. Vor zwei Jahren, als Aarherz sein Amt angetreten hatte, hatte man eine Minute lang geklatscht. Im Anschluss wurde der neue provisorische Regulator gewählt. Wie vorauszusehen, ging Wheyëtta Naer als Sieger aus dieser Abstimmung hervor: Das „Haus“ besitzt eine eindeutige Mehrheit im Parlament.

Wheyëtta Naer
Wheyëtta Naer, absofort provisorischer Regulator der DVD

Die Mitglieder der alliiert-torassischen Koalition drückten ihr Bedauern über diese Entscheidung aus. Auch wenn innerhalb der Koalition derzeit unterschiedliche Auffassungen über die weitere gemeinsame Vorgehensweise vorherrschen, fiel das gemeinsame Statement von Torunien, Nordakronor, Allmeeren und Torassia überraschend einig aus: Man danke Adam Aarherz für die Zusammenarbeit und seinen Dienst an der Demokratie in Davien, hieß es aus Ctaeye. Dabei dürfte es sich aber um eine reine Formalie handeln, die man dem Mann zollen muss, der die internationalen Truppen zur Unterstützung in sein Land geholt hat: Man erwartet eine weitaus reibungslosere Kooperation mit Naer.

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